Re: Andauernde Bremsenprobleme

CLOU-FREUNDE

Geschrieben von Christian S. am 10. Juli 2010 21:04:13:

Als Antwort auf: Re: Andauernde Bremsenprobleme geschrieben von helmut am 07. Juli 2010 21:16:08:

Hallo,

die Faustregel mit dem "...selber Gang bergab wie bergauf..." kannte ich auch, und empfehle deren Einhaltung dringend.
Die Bremsleistung moderner LKW hat sich verbessert, aber lange nicht in dem Maße wie beim PKW. Grund: Die vorgegebenen Felgengrößen und Anzahl der Räder setzen dem Ganzen Grenzen.
Konstruktiv sind folgende Änderungen möglich und werden so oder ähnlich auch verbaut: Bremsleistung möglichst gleichmäßig auf alle Räder verteilen. Ein Überbremsen hinten muß vermieden werden, um die Spurstabilität nicht zu beeinflussen. Da ein hoher schwankender Aufbau während des Bremsvorganges kurzfristig zum Blockieren einer Seite der HA führen könnte, ist ein erheblicher Sicherheitsabstand mit eingerechnet. Bei modernen Konstruktionen ist es Dank ABS, Blockierverhinderer oder gar eines all´ umfassenden ESP´s die Aufteilung besser. Bei alten Konstruktionen wird vergleichsweise weniger Bremsleistung von der Hinterachsbremse erbracht. Eine Nachrüstung dieser Systeme ist unmöglich.

Was konstruktiv außerdem geändert wurde: Die Legierung der Bremsscheiben. Man kann sich durch Nachteile der Haltbarkeit und Rostempfindlichkeit eine bessere Bremsleistung erkaufen.
Beim PKW werden schon seit über 20 Jahren Bremsscheiben verbaut, die nach dem abfahren eines Satzes Bremsklötze weniger als 50% nutzbare Reststärke aufweisen, d.h. im Prinzip jedes Mal getauscht werden müssen. In den letzten 10 Jahren wurden zudem immer rostempfindlichere Legierungen verwendet, die dafür besser bremsen. Nach dem letzten, harten Winter mit viel Streusalz muss ich ständig den selben Kunden neue Bremsscheiben einbauen, die z.T. erst vor dem Winter neue bekommen hatten. Der Rost sitzt so tief, daß er sich nicht mehr wegbremsen lässt.

Ein größerer Bremskraftverstärker erhöht niemals die absolute Bremsleistung, da kein serienmäßig geliefertes Fahrzeug ab Werk eine so schwache Bremskraftunterstützung hätte, daß ein durchschnittlich gebauter Fahrer damit keine Blockierbremsung hinlegen könnte. Im Zweifel stärker treten. Da viele Fahrer auf den ersten Metern zu zaghaft bremsen und dadurch Anhalteweg verschenken, werden inzwischen stärkere BKV verbaut.
Wenn die Pedalkraft besonders hoch erscheint, hilft auch manchmal der Blick auf den Zustand der Vakuumpumpe, Zuleitung und Rückschlagventil.

Man könnte, falls der alte Turbo Daily einen hat, den LASTabhängigen Bremskraftregler (es gibt auch druckabhängige, die man nicht so ohne weiteres nachstellen kann) ETWAS strammer einstellen. Aber auf eigene Gefahr! -Man bräuchte für eine verlässliche Einstellung einen Platten-Bremsprüfstand, der gleichzeitig die Abbremsung aller Räder mißt. Solche Prüfstände gibt es sehr selten.
Wer es sich zutraut, könnte den Regler in ganz kleinen Schritten etwas strammer stellen, und aus Gründen der Materialschonung bei nasser Straße Probebremsungen bis zum blockieren machen. Dabei muss es immer vorn zuerst blockieren.
Um herauszufinden ob beim jeweiligen Fahrzeug meine Theorie mit der schwach eingestellten Hinterachsbremse stimmt, kann folgender Versuch unternommen werden: (Achtung - nicht bei Fahrzeugen mit Scheibenbremse hinten!): Beim bremsen auf einer Gefällstrecke zusätzlich vorsichtig mit der Handbremse bremsen. Dabei niemals den Arretierungsknopf los lassen, die Bremse dehnt sich bei Erwärmung aus und bremst plötzlich stärker, was dann zum blockieren der HA führt. So schnell bekommt man die Bremse dann nicht wieder gelöst > Straßengraben oder schlimmeres. Wenn sich bei diesem Versuch die Bremsleistung merklich steigern lässt, stimmt meine Theorie.

Was kann man sonst noch tun? -Bremsen mindestens 1x im Jahr warten durch Zerlegung. Trommelbremsen öffnen und den Bremsstaub komplett entfernen, Trommeln mit Bremsenreiniger entfetten. Durch Ausdünstungen von Reifen und Ölen bzw. Fetten der Radlagerung sammeln sich mit der Zeit geringe Mengen Fett, die sich nicht wegbremsen lassen. Außerdem erkennt man so frühzeitig undichte Radbremszylinder und Simmerringe.
Bei der Vorderbremse, speziell bei Mehrkolbensätteln, sind häufig nicht alle Kolben leichtgängig.
Dadurch wird eine Seite des Bremsbelages stärker gegen die Scheibe gedrückt. Die wirksame Belagfläche ist kleiner, es verglast schneller. Dadurch verbiegen sich irgendwann sogar die Rückenplatten der Scheibenbremsbeläge. Ist ein Kolben richtig fest, sinkt natürlich insgesamt die Bremsleistung. Da häufig auf beiden Seiten je ein Bremskolben (oft der kleinere, wenn unterschiedlich große verbaut) festgammelt, fällt es oft beim TÜV gar nicht auf.
Die Bremsklötze müssen in den Führungen sehr leichtgängig sein. Sind sie es nicht, schleifen sie immer leicht mit und sind dadurch schon unnötig heiß, d.h. schneller ZU heiß wenn es drauf ankommt.
Bremsscheiben nicht zu dünn werden lassen. Weniger Material kann weniger Wärme aufnehmen.
Marken-Bremsklötze verwenden, wobei es auch für Fachleute wie mich sehr schwierig zu erkennen ist was gut ist und was nicht. Auch namhafte "Hersteller" kaufen Bremsklötze wechselnder Qualitäten hinzu, und stecken sie in eigene Kartons. Für den Aftermarket wird da sehr viel Schindluder getrieben. Besonders der bekannte Hersteller mit den drei Buchstaben und blauen Kartons kauft 90% der Klötze hinzu, wobei dann durchaus die selbe Ware im Karton stecken kann wie bei ebay zu 25% des Preises. Hersteller die noch viel selber fertigen sind Ferodo (nur Premier), Pagid, Jurid.
Ein Indiz für billige Zukaufware sind immer aufgeklebte Gummifolien auf den Rückenplatten, auf die die E-Prüfnummer aufgedruckt ist. Diese aufgeklebten Teile sollten ursprünglich eigentlich mal "Antiquietschplatten" sein und aus Metall, werden aber zunehmend nur noch in unbrauchbarer Qualität vom Importeur aufgeklebt um schnell + einfach die gesetzlich geforderte E-Prüfnummer, die der Importeur nach eigenem Ermessen auf von ihm für gut befundene Klötze kleben darf, auf die Klötze zu bekommen.
Ein Indiz für gute Klötze kann ein eingeprägtes Herstellerzeichen sein, sowie vernietete Antiquietschplatten aus Metall.

Gruß
Christian S.

P.S.: Im Gegensatz zum PKW, wo manch´ ein Kunde die Erfahrung gemacht hat dass das Auto auch nach Jahren noch problemlos bremst, sollte bei einem Clou die Bremsflüssigkeit besonders akribisch geprüft oder in kürzeren Intervallen gewechselt werden. Die Intervalle sind von der verwendeten BF abhängig. Bei standard DOT4 lieber jedes Jahr, teurere Flüssigkeiten können 2-3 Jahre drin bleiben (Siedepunkt steht auf der Packung).



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